Coras Aufenthalt an der Mercersburg Academy (2011/12)

Mercersburg, Pennsylvania, USA

Die Idee, an eine amerikanische boarding school zu gehen, entstand bei einer eigentlich nicht ganz Ernst gemeinten Internetrecherche. Vor allem interessierten mich die kalifornischen Schulen direkt am Meer... Als ich dann aber durch eine Schule auf die Seite von ssb Nottebohm verwiesen wurde, überlegte ich mir dann doch, dass mir eigentlich ein Auslandsjahr schon Spaß machen würde und vor allem eine große Chance wäre. Ich dachte zu dem Zeitpunkt noch gar nicht an irgendwelche großen Organisationen. Also überredete ich meine Eltern, mit mir nach Heidelberg zu einem Info-Abend zu fahren. Dort stellten sich viele amerikanische und kanadische Schulen vor. Für mich war es ein Erlebnis, weil ich von so vielen freundlich angesprochen wurde, nach meinen Interessen und Hobbys gefragt wurde und vor allem, weil alle Gespräche auf Englisch waren. Nach diesem Abend und einem persönlichem Gespräch mit Frau Nottebohm stand mein Wunsch fest; und meine Eltern waren auch nicht ganz abgeneigt. Danach half mir Frau Nottebohm, die genau richtige Schule für mich zu finden. Weil ich mit meiner Sportart Skifahren nicht ein Jahr aussetzen wollte, wurde dann aus der kalifornischen Küstenschule doch nichts, sondern Mercersburg, auf die ich mich aber trotzdem mindestens genauso freue!!!
Für die Bewerbung an der Schule, musste ich nicht nur eine sehr umfangreiche Application schreiben, sondern hatte auch ein Telefoninterview mit einer Lehrerin meiner Schule. Davor hatte ich etwas Respekt, es war aber dann ein nettes und offenes Gespräch mit Mrs Bradley, die keine „gemeinen“ Fragen stellte, sondern eher meine Fragen beantwortete. Ich war aber trotzdem froh, dass ich mich etwas vorbereitet hatte, mir ein paar Dinge, die ich sagen wollte, schon überlegt hatte. Als ich die Zusage von Mercersburg hatte, schwebte ich einen Tag lang vor Freude durch die Gegend.
An einem langen Wochenende fuhr ich ohne große Erwartungen nach Heidelberg. Ich kam etwas später an als die Anderen, trotzdem fand ich schnell Anschluss an die Gruppe. Sie bestand aus 22 Jugendlichen, die alle im nächsten Schuljahr mindestens ein Jahr in Kanada oder den USA verbringen werden. Wir konnten alle unsere Fragen loswerden und bekamen noch weitere Informationen über das Leben dort, Besonderheiten einer boarding school und unsere Fächerwahl.
Ein paar Wochen später war schon mein Termin bei der amerikanischen Botschaft in Frankfurt. Wir kamen dort an einem ganz normalen Dienstag früh morgens an und waren geschockt von den Menschenmassen. Mein erster Eindruck war, dass die Botschaft aussieht wie ein Hochsicherheitstrakt und die Leute wirklich unfreundlich sind. Nachdem wir aber zwei Stunden davor gewartet hatten und dann endlich kontrolliert und drinnen angekommen waren, sah dann alles anders aus. Wir mussten nicht mehr lange warten und der Mann, der mit mir das kurze Interview geführt hat, war sehr freundlich. Als ich nicht verstanden habe, was er meinte, hat er es mir erklärt. Natürlich alles auf Englisch, aber langsam und so, dass ich es dann verstehen konnte. Er hat auch nicht viel gefragt, er wollte nicht jedes Detail wissen und auch nicht alle Unterlagen sehen, aber ich war doch erleichtert, dass ich alles dabei hatte. Ich bin froh, dass ich das Visum jetzt habe und hoffe, dass ich ohne Probleme einreisen kann.
Im Moment laufen die allerletzten Vorbereitungen. Ich habe Kontakt zu meiner Ansprechperson an der Schule dort und zu ssb, die ich zum Glück alles fragen kann. Meine Fächer habe ich schon gewählt; und so bleibt mir jetzt nur noch das Packen, was nicht einfach wird... Nächsten Montag geht schon mein Flieger und ich werde dann berichten, wie die Schule und meine ersten Eindrücke so sind.
 
So, jetzt bin ich also hier angekommen in Mercersburg. Pennsylvania. Als ich mit meinen Eltern hier ankam, war der erste Eindruck erstmal ganz viel Natur und kaum ein Haus zu sehen. Der Campus von der Schule ist gigantisch! Super grün und weitläufig alles und die Gebäude sind riesig und echt schön. Es ist auch alles viel sauberer. Man sieht auf den Wegen nicht ein einziges Blatt liegen und die Wiesen sind frisch gemäht. Ich glaube, ich hab mich sofort wohl gefühlt. Dann war registration angesagt. Wir wurden sofort nett angesprochen, mir wurden Lampen, Teppiche, und andere Sachen für mein Zimmer angeboten. Mein Roommate war noch nicht da, und ich konnte erstmal mein Zimmer in Ruhe beziehen. Aber viel Zeit war nicht, denn dann war inbound. Leute kennenlernen. Das waren superlustige Tage! Danach kamen dann auch die ganzen anderen, nicht neuen Schüler und wir hatten eine Woche Zeit um weiter Kontakte zu knüpfen und Sport zu machen. Ich hatte eine klasse Woche und überhaupt keine Zeit um auch nur an zu Hause zu denken...
Dann fing die Schule an und ich war natürlich unglaublich aufgeregt! Die erste Woche Schule hat mich ziemlich umgehauen! Der Unterricht war spannend und interessant, die Lehrer waren freundlicher als ich das gewohnt war und die Klassen so klein, dass wir nicht wie zu Hause an Tischen, die alle zur Tafel hin stehen, sondern an einem großen, runden Tisch alle zusammen sitzen konnten. Was es hier an Elektronik gibt, ist eigentlich auch unfassbar, man hat einfach jede Möglichkeit. Aber was mich ein bisschen aus der Bahn geworfen hat, waren die Hausaufgaben... es sind wirklich viele. Also unter der Woche wird erwartet, dass man sich anstrengt und lernt, aber die Wochenenden sind gigantisch! Es gibt trips für die man sich anmelden kann, wie shopping trips oder trips in die Städte hier um Mercersburg und man kann mit Freunden superviel Spaß haben. Es gefällt mir wirklich gut hier.
 
Jetzt, wo das Jahr schon ein bisschen fortgeschritten ist, und ich auch schon an Weihnachten zu Hause war, hab ich mich voll und ganz eingelebt. Schule und Unterricht sind nicht mehr so stressig für mich wie am Anfang, sodass ich meine Zeit genießen kann. In diesem term mache ich Skifahren als Sportart. Meine Coaches sind nett, aber wir haben kein richtiges Training, deswegen habe ich mich noch bei einem anderen Skiteam angemeldet. Wir haben grade vor kurzem wieder Zeugnisse bekommen. 6 Zeugnisse kriegen wir in einem Jahr! Die Weihnachtsferien zu Hause waren sehr schön. Ich hatte schon vor den Ferien einige Probleme mit meinem roommate und hatte da ein bisschen Stress, bis ich wechseln durfte, deswegen waren die Ferien eine Art Auszeit für mich.
Zimmer
Nach den Ferien aber konnte ich mit einer sehr, sehr guten Freundin in ein Zimmer ziehen. Ich war überglücklich und habe mich super wohl gefühlt in meinem neuen Zimmer! Ich habe dann mit meiner Freundin, die aus Brasilien kommt, das Zimmer wunderschön gestaltet, mit Stoffen ausgehängt und Deko aufgestellt. Die Zimmer waren ja am Anfang recht kühl und leer, aber alles selber einzurichten hat extrem viel Spaß gemacht und dann hat man sich gleich ein bisschen mehr wie zu Hause gefühlt! Auch alle meine anderen Freunde fanden das Zimmer super gemütlich, und wir konnten dann bei uns im Zimmer diverse movie nights machen und einfach zusammen sitzen und quatschen! Mir hat das Zusammenwohnen mit jemand anderem sehr, sehr gut gefallen, weil man wirklich NIE allein ist und man immer jemanden hat, der einem mal helfen kann. In unserem Flur haben sich eigentlich alle gut verstanden, und das schönste Erlebnis für mich war, glaube ich, dass man abends immer im dorm rumlaufen konnte und dann Leute getroffen hat, oder dass man zu einer Freundin ins Zimmer konnte und da ein bisschen chillen, wenn man keine Lust auf Hausaufgaben hatte.
Fun Event
Wir hatten dann eine recht lange Zeit Schule, aber die Zeit verging so schnell durch dances: Parties, die entweder von Schülern oder einer Lehrerin, die für uns ganz viele fun events gemacht hat, organisiert wurden und immer an Wochenenden oder Dienstags stattfanden. Wir hatten auch trips nach New York oder Washington. Das Winterterm war sehr entspannt, weil wir auch am Ende keine Abschlussprüfungen geschrieben haben. Trotzdem war der Unterricht recht anspruchsvoll, und das Besondere für mich war, dass fast alle Lehrer Projekte aufgegeben haben. Zum Beispiel in Englisch sollten wir einen Kurzfilm über ein Buch, das wir gelesen hatten, drehen. Schule hat also viel Zeit und Mühe in Anspruch genommen, aber es war trotzdem eine super Erfahrung, weil ich selber gemerkt habe, wie mein Englisch besser wurde. Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon sehr viele Kontakte geschlossen und fast alle Gespräche liefen auf Englisch. Mit Zuhause telefoniert habe ich eher selten, weil ich das Gefühl hatte, dass sich mein Leben komplett dort an der Schule abspielt, und ich kaum Heimweh hatte. Es war gar nicht so, als ob ich zu Hause nicht vermisst hätte, aber man war einfach schon so in allem drin, in der Schule, dem Sport, der Freizeit, dass man schon an genug Dinge denken musste...
Competition
Im Winterterm gab es außerdem die IRVING-MARSHALL competition an unserer Schule. Die kompletten Schüler wurden in zwei societies eingeteilt; Irving oder Marshall, nach zwei Direktoren der Schule. Die zwei societies sind dann gegeneinander angetreten. Es wurde Volleyball und Squash gespielt, geschwommen, gewrestelt und noch ganz viel mehr, um zum Schluss einen Sieger zu bestimmen. Dieses Jahr hat ganz knapp Marshall gewonnen, obwohl Irving in der declamation, einer Art Redekontest, fast alle Punkte gewann. Man kann sich das Ganze vielleicht ein bisschen wie bei Harry Potter vorstellen, wenn die Häuser im Quidditch gegeneinander antreten. Es war eine tolle Woche, die dann zum Schluss mit einem festlichen Essen, an dem sich alle in den Farben ihrer society, Marshall blau-gelb und Irving rot-weiß, angezogen haben.
Nach dem Winterterm kamen die Frühlingsferien, in denen ich mit zwei Freundinnen, meinem roommate und einer anderen Freundin aus Deutschland, nach Californien geflogen bin! Der Vater von meiner roommate kam aus Brasilien und hat uns mitgenommen, erst nach L.A., dann weiter an der Küste nach Süden, an den schönsten Stränden entlang, durch den Yosemite national park nach San Diego. Es war eine unglaublich schöne Reise! L.A. ist extrem beeindruckend, besonders wenn man weiß, wie die Häuser und alles an der Ostküste aussehen. Es war komplett anders! Wir hatten eine wunderschöne Zeit zusammen und haben als Gruppe das Land und die Leute noch besser kennengelernt. Wir waren länger als zwei Wochen unterwegs, und außer Stadtbesichtigungen waren wir surfen und in Freizeitparks. Diese Reise hat auch uns drei Freundinnen noch mehr zusammengeschweißt! Ich hatte so ein Glück, dass wir so was machen konnten!
Dann ging es erstmal ganz normal mit der Schule weiter. Wenn ich jetzt zurückschaue, denke ich an genau diese Zeit. Als ich schon tolle Freunde gefunden hatte, und der ganz normale Alltag einfach trotz Schule und Tests und Arbeiten Spaß gemacht hat, weil man sich jeden Tag auf irgendwas Besonders freuen konnte. Ob es ein Projekt in der Schule war, vielleicht ein Ausflug in den Schulgarten, der Sport am Nachmittag, oder nur ein Essen in der dining hall, weil man wusste dass es mac n' cheese gab (das allgemeine Lieblingsessen :D, eigentlich macaroni and cheese).
Prom
DAS große event im springterm war aber natürlich prom. Ich hatte, wie wahrscheinlich jeder, schon von amerikanischen proms gelesen, dass es eine riesen Sache ist, von wem man gefragt wird und was man anzieht, etc. Aber ich hätte mir nie im Leben prom als so einen unglaublich wichtiges und monströses event vorgestellt. Ich war ja erst Zehntklässler, und hätte somit gar nicht hingehen dürfen, weil prom nur für junior und senior ist; aber weil wir nur ein Jahr dort waren, durfte ich mit meinen Freunden Fotograf spielen, um wenigstens mit dabei zu sein. Schon Monate vorher wurde gemunkelt wer mit wem hingeht und die Ersten wurden mit den süßesten Einladungen, zum Beispiel pancakes auf denen "PROM?" stand, gefragt. Eben sehr amerikanisch :D. An dem eigentlichen Tag dann wurden riesige Zelte aufgebaut und der rote Teppich ausgerollt. Schon 3-4 Stunden vor Beginn hat man kaum noch jemanden gesehen auf dem Campus, weil sich alle fertig gemacht haben. Es gab dann ein festliches Buffet, mit anschließender Party, auf der wir auch noch Bilder machen mussten, und sie deswegen noch nicht in vollen Zügen genießen konnten. Aber dann gab es noch einen after-prom, für den wir zu einem games center gefahren sind, und dann bis um 5 Uhr morgens go cart fahren und laser tag spielen konnten. Eindeutig bester Tag! :D
Prom war aber schon ein bisschen der Anfang vom Ende... Danach waren dann nochmal ein paar Wochen Schule, in denen wir uns für die finals vorbereiten mussten, und dann war auch schon die graduation von den seniors. Am Tag der graduation war es soo heiß, dass die Feier draußen stattfand. Der Direktor Mr. Hale hat eine Rede gehalten, Eltern und vor allem auch Schüler haben nochmal von ihren schönsten Mercersburg-Erlebnissen erzählt. Es war sehr schön, vor allem, weil man ja die meisten kannte und richtig mitfühlen konnte. Es war aber dann sehr traurig, alle gehen zu sehen und sich schon richtig verabschieden zu müssen, denn alle seniors mussten nach dem Tag vom Campus runter sein. Es war auch schon für mich so eine Art Abschied, weil ich ja wusste, dass ich nur noch eine Woche hatte, bis meine Eltern kamen. In der einen Woche habe ich nochmal versucht alles zu genießen, so gut wie es trotz lernen für die finals ging. Wir hatten eine Kletterhalle auf dem Campus, in die ich nochmal gegangen bin, ich bin meine Laufstrecke nochmal gejoggt, habe noch ein letztes Picknick mit meinen Freunden draußen auf der Wiese gemacht. Alles, was wir uns die ganze Zeit vorgenommen hatten. Z.B. sind wir an einem Morgen schon superfrüh aufgestanden um den Sonnenaufgang anzuschauen,... Ich glaube, wir haben nochmal das Beste aus der einen Woche gemacht, aber trotzdem ging sie irgendwann vorbei... Alle wurden von ihren Eltern abgeholt, und obwohl ich die meisten Eltern schon vorher getroffen hatte, war es nochmal schön meine Eltern vorzustellen, Adressen auszutauschen, etc.
Der Abschied war wohl das Schwerste, aber ich war mir sicher, dass es kein besseres Jahr für mich gegeben hätte, und dass ich, wenn ich das gleiche Abenteuer nochmal machen würde, es kein bisschen verändern würde. Ich war mir auch sicher, dass es kein Abschied für immer war. Ich werde auf jeden Fall die Schule und meine Freunde besuchen!

Jetzt wo ich wieder hier zu Hause bin, und die Schule wieder angefangen hat, denke ich ganz viel an mein Auslandsjahr. Ich vergleiche alles mit Amerika, die Schule, die Leute, die Sitten oder das Essen :D! Man denkt ja immer, dass der Unterschied zwischen der europäischen und der amerikanischen Kultur nicht so groß ist, oder zumindest nicht so groß wie der Unterschied zwischen China und Europa, aber wenn man lange genug eine andere Kultur miterlebt hat, fallen einem die Unterschiede schon deutlich auf! Ich bin jetzt schon wieder ganz zu Hause angekommen und fühle mich wieder ganz europäisch, aber jedes Mal, wenn ich mit dem Zug fahre, muss ich daran denken, wie schwierig sowas in Amerika war, oder wenn ich bis um halb sechs in der Schule sitze, denke ich immer an den schönen amerikanischen Stundenplan, auf dem wir um halb sechs höchstens noch tennis practice hatten... naja, alles was ich eigentlich sagen will ist, dass man ein anderes Leben mitbekommt. Und sich auf den Umstieg von deutscher auf amerikanische Kultur vorzubereiten, ist bestimmt genauso schwierig wie zurück. Aber man macht so viele Erfahrungen und schließt neue Freundschaften oder Bekanntschaften, es lohnt sich auf jeden Fall!!!